ILENIA LANARI : "REFLEXION - KUNST UND DEREN REFLEXION IN DER PANDEMIE-ZEIT"
„Kunst sollte als Metamorphose betrachtet werden, als ständige Umwandlung“, Willi Baumeister 1960.
Die letzten 15 Monate der Coronazeit haben wieder einmal gezeigt, dass Stillstand nicht existiert und dass der Mensch, auch wenn er es sich noch so sehr wünscht, Dinge, Ereignisse, Momente, Zustände, und Gegebenheiten nicht festhalten kann, sondern das alles fließt und sich verändert. Dieses Fließen und Verändern, diese ständige Umwandlung, ist ein Phänomen, das die Bildende Kunst schon immer begleitet hat. Der Mensch will den Moment festhalten, will ihn konservieren, will Eindrücke einfrieren, aber die Zeit tickt weiter und alles verändert sich. Malerei ist oftmals nichts anderes als den Moment auf Leinwand festzuhalten, ihn zu behalten, ihn wahrnehmbar zu machen. Dabei ist der Moment jedoch nur individuell und subjektiv erfassbar.
Ilenia Lanari malt mit und gegen die Veränderbarkeit an. Ihre Bilder sind eine ständige Auseinandersetzung mit der Wandelbarkeit von visuellen Eindrücken, aber darüber hinaus auch von Transformationen, die im Inneren ablaufen und sichtbar gemacht werden wollen. Ihr Medium ist dabei das Wasser, das fließende Wasser und die Reflektionen von Natur und Architektur im Wasser. Dabei ist es nicht die Landschaft an sich, die sie interessiert, sie ist nur Mittel zum Zweck, sondern die optische Täuschung, die Reflexionen im Wasser und in Fensterscheiben hervorrufen, die uns bewusst machen, wie täuschend visuelle Eindrücke sind und wie unterschiedliche Wahrnehmungen wir von unserer äußeren Realität, die nur punktuell existiert, haben.
Der Blick der Künstlerin ist durch Übung geschärft, sie schaut sich die Welt anders an, nämlich mit dem Drang sie in irgendeiner Form abbilden zu wollen. Der Blick auf die äußere Wirklichkeit ist aber für jeden immer ein anderer, denn das, was er sieht, ist manipuliert von der inneren Welt, von schon Gesehenem, von Erfahrungen und auch eigenen Ansprüchen und Wünschen. Unsere Wirklichkeitsaneignung ist immer subjektiv. Diese Manipulation, die jeder Mensch der „Wirklichkeit“ gegenüber hat, wird durch die Wandelbarkeit der Natur, der Spiegelungen und Reflexionen noch verstärkt. So machen uns die Spiegelungen und Reflexionen im Wasser, in Spiegeln, in Fensterscheiben immer wieder deutlich, wie täuschend die Wirklichkeit eigentlich ist und dass es keine „eine“ Wirklichkeit gibt.
Der Spannungsbogen zwischen äußerer und innerer Wirklichkeit ist das Spannungsfeld, in dem sich Ilenia Lanari bewegt. Im Bewusstsein dieses Spannungsfeldes schafft sie eine interessante, rätselhafte und perspektivisch wechselnde Bildwelt, in der der Betrachter selbst mit seiner eigenen Wahrnehmung eintauchen soll. Die Kunst von Ilenia Lanari soll uns bewusst machen, wie fälschlich, wie fragil und täuschend die äußere Wirklichkeit sein kann und dass wir uns nur durch eine ständige Bewusstmachung dieser subtilen Grenze zwischen Realität und Illusion einer äußeren Wirklichkeit überhaupt näheren können. Es gibt viele, aber nie die eine Sicht auf die Dinge.
Dr. Ulrike Niederhofer, Kunsthistorikerin, Überlingen 2021
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